Prolog
Mit allem Hab und Gut stehen wir 23:00 Uhr am hochmodernen Bahnhof von Baku. Der Zug der uns innerhalb von 8 Stunden nach Astara – an die iranische Grenze – bringen soll, glänzt leider mit gegenteiligen Attributen: Abgewetzt, alt, staubig. Die Zugtoilette ein Horrorszenario.
Immerhin teilen wir uns die Vierer Kabine mit einem sehr angenehmen Iraner. Als dieser uns fragt wo wir herkommen, gerät er mehrere Stunden lang ins Erzählen. Geschichten über Deutschland, über den Iran, über Kultur, Historie und Menschen. Er gibt uns Tipps für den Grenzübergang, der mir ja schon einige Zeit Bauchschmerzen bereitet. Neben uns feiern ein paar aserbaidschanische Jungs eine Party. Die haben gut Lachen. Müssen sich morgen bestimmt nicht mit Grenzbeamten auseinandersetzen.
Als wir am nächsten Morgen Astara erreichen, nimmt uns Amir – der Iraner an die Hand. Alles muss schnell gehen. Wir fahren mit dem Taxi zum Grenzübergang. Reihen uns in die Schlange ein. Als einzige Europäer werden wir direkt beäugt und ausgefragt. Ab und an werden 5 oder 6 Personen aus der Schlange in das Grenzhäuschen gelassen. Amir rät mir, schon mal mein Kopftuch anzulegen. (Goodbye süße Freiheit!) Als wir fast an der Reihe sind, macht der Grenzbeamte zwischen uns und Amir einen Cut. Der erhebt zum Glück Einspruch. Erklärt das wir Deutsche sind und zu ihm gehören. Wir dürfen mit rein. Und mehr noch: Als wir innendrin – auch hier stehen die Menschen noch Schlange – mit dem deutschen Pass wedeln, werden wir vorgelassen. Jetzt profitiert Amir zum Glück auch mal von uns. Er darf ebenfalls mit vordrängeln.
Aserbaidschan haben wir so relativ schnell verlassen, nun geht es in den Iran. Auch hier genießen wir zunächst den Ausländerbonus. Unsere Stempel sind schnell im Pass…wir wollen schon gehen, dann werden die Ausweise doch nochmal eingezogen und wir müssen warten. Warum genau wissen wir nicht. Die Grenzbeamten schauen streng. Sehr streng. Das können sie gut. Entspannt bleiben – das kann ich eher weniger gut. Und so wächst die Anspannung. Dann endlich, geben sie uns mit noch strengeren Blick die Pässe zurück. Was nun war, bleibt ungeklärt.
Endlich sind wir raus oder besser: Wir sind drin. Im Iran. Das große Abenteuer kann beginnen. Und das tut es auch. Amir hat zum Glück auf uns gewartet. Genau wie die Geldwechsler hinter der Grenze. Sie und wir wissen, dass sie uns nun bescheißen werden, aber in Begleitung von Amir ist ihr Grinsen nur halb so breit. Natürlich ist der Kurs für uns schlecht, dank Amir aber nicht grottenschlecht.
Amir begeht seine letzte freundliche Amtshandlung und setzt uns in ein Taxi. Von nun an sind wir auf uns allein gestellt.
Ardabil
Wir haben uns also bis nach Ardabil durchgeschlagen. Zum Glück haben wir bereits vorab ein Hotel gebucht, denn die Kombination müde, vollgepackt, ahnungslos und ohne jegliche Sprachkenntnisse macht uns zu guten Neppen, die man abzocken kann.
Ja…und dann. Dann wollten wir uns eigentlich nur eine SIM Karte kaufen gehen, einen Happen essen und direkt ins Bett hüpfen. Aber wer im Iran unterwegs ist, der muss immer mit allem rechnen.
Angefangen hat es in dem Hostel an der Straße. Da spricht doch bestimmt jemand Englisch dachten wir uns und fragten nach einem Shop der offizielle SIM Karten verkauft. (Nachdem uns zuvor schon jemand seine private SIM Karte anbieten wollte…) Der Hostelbesitzer bekam ganz große Augen als wir vor ihn traten..Touristen..jippieh. Als wir dann jedoch sein Zimmerangebot ausschlugen war er etwas traurig, lies es sich aber trotzdem nicht nehmen seine Schuhe anzuziehen und mit uns zu einem Shop zu laufen der vielleicht weiterhelfen könnte. Shop 1 schickte uns allerdings zu einer Apotheke. Die Apotheke, die definitiv keine SIM Karten im Sortiment hatte, schickte uns zu Shop 2. In Shop 2 näherten wir uns endlich dem Objekt der Begierde. Hier lag Werbung für SIM Karten aus und die 2 Mädels die dort arbeiteten hielten sogar eine in der Hand. Bingo! Der Hostelbesitzer wähnte uns am richtigen Ort und verließ uns. Was folgte war jedoch ein Spaziergang zu Shop Nummer 3. Denn Shop 2, verkaufte zwar SIM Karten, scheinbar aber nicht an uns. Shop 3 machte es endlich möglich. Das Prozedere war lang, aber dafür unterhaltsam für die Iraner. Alle kamen sie mal in den Shop um uns zu begrüßen oder zu betätscheln.. Und dann stand er da: Peyam – der Iraner, der uns einführen sollte in die wunderbare, herzliche Gastfreundschaft des Landes.
Er fragte uns ob er uns seine Stadt zeigen dürfte. Und obwohl wir hundsmüde waren, war er einfach zu sympathisch um das abzuschlagen. So landeten wir als erstes im Süßspeisenhimmel. Er lud uns ein auf eine Portion Halva Siah – eine Spezialität der Region. Köstlich. Wir orderten direkt Nachschlag. Das freute den Ladenbesitzer so sehr, dass er uns direkt eine riesige Portion zum mitnehmen in die Hand drückte.

Unbedingt im Iran probieren: Halva Siah. Sooo lecker.
Danach führte uns Peyam in ein kleines Handwerksmuseum, in die berühmte Sheikh Safi al-din Khanegah Moschee und in ein altes Badehaus. Egal wo wir hinkamen, überall wurden wir herzlich empfangen.

Nur schauen „darf“ man nicht. Wir mussten gleich ausprobieren.

Sheikh Safi al-din Khanegah Moschee
Nach so viel Kulturprogramm lud uns Peyam nun zu seinen Großeltern ein. Kurz überlegten wir, ob wir das nicht besser ausschlagen sollten. Wir waren ja gerade mal ein paar Stunden im Iran und konnten die Situation noch gar nicht einschätzen. Aber Herz an, Kopf aus: Wir gingen mit ihm mit.
Bei seinen Großeltern erwartete uns ein schönes traditionelles Haus und traditionelles Essen. Und eine Omi, so lieb als wäre sie unsere eigene. So war es dann auch überhaupt nicht befremdlich als wir dort auf dem Boden saßen, Suppe aßen, Tee tranken und plötzlich teil einer großen Familie wurden. Nur die Einladung zu einem kleinen Mittagsschlaf mitten im Wohnzimmer, lehnten wir dann doch ab.

Zu Besuch bei Peyams Großeltern.
Na, wenn das so ist, dachte sich Peyam, haben die beiden ja noch genug Energie. Auf zu einem kleinen Freizeitpark. Ähm Stopp. Freizeitpark? War das Spaß haben im Iran nicht verboten?
[Es folgt ein kleiner Auszug aus verbotenen Dingen: Discos, Clubs und Bars, Hunde halten, Tanzen, Dating, Nagellack, Sonnenbrillen auf dem Kopf, Zumba & Co.]
Ja. Verbote gibt es im Iran leider viel zu viele. Aber die Iraner nehmen sich ihre Freiheit, wann immer und wo immer es geht. So landeten wir kurz vor Mitternacht in einer kleinen Eisenbahn und sangen, klatschten, jubelten und tanzten mit der euphorisierten iranischen Menge.

Spaßig – In dieser Bahn gings rund
Doch dieser Tag war noch immer nicht zu Ende. Zwar wollten wir eigentlich nur noch ins Hotel zurück (ich erinnere nochmal daran, dass wir schon eine kleine Grenz-Odysee hinter uns hatten), aber auf dem Weg durch den Park zur Straße, konnten wir uns nur im Schneckentempo bewegen. Überall wurden wir angesprochen. Mal gab es eine Tanzaufführung für uns, mal wurde uns frisches Kebab vom Grill angeboten, hier und dort mussten unbedingt Fotos mit uns gemacht werden und wieder ein anderes Mal wurden uns interessierte, aber auch kritische Fragen zu Deutschland gestellt.

Nachts im Park – diese Jungs machen richtig gute Musik :-)
Das alles war unglaublich. Die Menschen, sie waren einfach unglaublich.
Als wir uns endlich zur Straße durch gekämpft hatten, hielt Peyam die Autos an. Gleich das erste nahm uns wie selbstverständlich mit. Im Auto saß eine kleine Familie mit einem nur wenige Tage alten Baby. Sie fuhren es spazieren, damit es besser schläft. Anstatt direkt zum Hotel zu fahren, machten wir nun aber noch mehrere Stopps an den Sehenswürdigkeiten der Stadt. Die junge Mutter, Stewardess bei Iran Air, sprach sehr gutes English und meinte, es sei nicht nur ihre Pflicht uns die Schönheiten ihrer Stadt (und ihres Landes) zu zeigen, sondern ein Vergnügen.
Und so fuhren wir durch die Nacht, mit wildfremden Menschen, die uns das Gefühl gaben, sie hätten schon ewig auf uns gewartet.
An diesem Tag – unserem ersten Tag im Iran, trafen wir genau auf den richtigen Menschen. Einen, der uns an die Hand nahm und uns in nur wenigen Stunden zeigte, warum es sich lohnt in den Iran zu reisen: Der Menschen wegen.
Dabei wollten wir eigentlich nur eine SIM Karte kaufen gehen.
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