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Am Ende bleibt und siegt die Liebe! (Oder: Warum die Welt trotzdem schön und lebenswert ist!)

Es war eine Woche, die Mitten ins Herz ging – eine Woche, die mindestens einen ganz persönlichen Lebensabschnitt veränderte und mich sprachlos, traurig und wie in Trance zurückließ. Hier spreche ich noch nicht von Paris. Hier spreche ich von Berlin – von mir – von meinem Leben. Obwohl das Leben so oder so schon von alleine genug eisige Schicksale hervorbringt, gibt es Menschen, die dies noch fördern und unterstützen. Ich bin geknickt. Ich bin ohne Worte. Fassungslos. Desillusioniert. Und dann kommt alles noch schlimmer.

Es ist Freitagabend – und ich spreche immer noch nicht von Paris. Ich muss arbeiten und betreue eine Veranstaltung in der Gedenkstätte Hohenschönhausen. Hier folterte und schikanierte die DDR Staatssicherheit Menschen, die oftmals nichts anderes „verbrochen haben“ als frei sein zu wollen. Ich treffe auf Kalle Richter. Er war erst 17 als er einen Fluchtversuch aus Ostberlin startete. Davor verhalf er noch seinen Freunden, auf die andere – sichere Seite. Er läuft mit uns durch das ehemalige Gefängnis und erzählt seine Geschichte mit reinstem Galgenhumor. Ich bekomme sofort eine Gänsehaut. Er erwähnt bald seine Familie. Frau und Tochter. Wir fragen nach. Wo sei die Tochter, wie ginge es ihr? Die möchte keinen Kontakt mehr zu ihm mit der Begründung: Er hätte mit einer Familie vorsichtiger sein sollen – nicht weiter als Fluchthelfer agieren. Er war verantwortungslos. Sie kann ihm nicht verzeihen. Er fügt hinzu, dass es schwierig sei für sie die damalige Situation zu verstehen. Ich denke mir: Was für ein mutiger Mann! Und denke weiter: Danke, dass es solche Menschen auf der Welt gibt.

Ich bewundere diesen Mann. Seinen Mut. Seine Courage. Er kämpfte damals nicht nur für sich. Hielt immer Stand. Verlor soviel und doch niemals seinen Mut und seinen Sinn dafür, das DAS nicht das Leben sein konnte!

Und dann fahre ich nach Hause. Ich bin aufgewühlt – traurig und zugleich auch glücklich. Da ich auch den Samstag arbeiten muss, gehe ich direkt ins Bett. Dann höre ich aus dem Wohnzimmer laute Geräusche. Andi kommt zu mir und erzählt es seien 30 Menschen gestorben – und ja – jetzt spreche ich über Paris. Das ganze Ausmaß bekomme ich an dem Abend nicht mehr mit. Als morgens das Radio angeht sind aus 30 Personen 120 geworden und es fährt mir durch die Glieder. Was ist da passiert? Menschen die freudig zusammengekommen sind, werden plötzlich aus dem Leben gerissen. Von Menschen, die sich anmaßen über Leben und Tod, Glück und Unglück anderer zu entscheiden. DAS ist nicht die Welt in der ich leben möchte. Das ist eine Welt, die ich nicht verstehe. Die ich so nicht akzeptieren möchte.

Ist es wirklich so naiv, sich ein friedliches und glückliches Leben zu wünschen? Ein respektvolles Miteinander? Und vor allem: Wieso wünscht sich das nicht jeder? Und wer hat eigentlich Schießpulver, Bomben und Giftgase erfunden?

Wenn man sich die Geschichte der Menschheit mal zu Gemüte führt, müsste man sich eigentlich direkt umdrehen, gehen und sagen: Alles klar. Danke. Das reicht mir schon.

Aber das wäre nicht richtig. Denn dann würden genau die Menschen fehlen, die die Welt zu einem Ort machen, die voller Schönheit steckt.

„No one is born hating another person because of the color of his skin, or his background, or his religion. People must learn to hate, and if they can learn to hate, they can be taught to love, for love comes more naturally to the human heart than its opposite.“

„Niemand wird mit dem Hass auf andere Menschen wegen ihrer Hautfarbe, ethnischen Herkunft oder Religion geboren. Hass wird gelernt. Und wenn man Hass lernen kann, kann man auch lernen zu lieben. Denn Liebe ist ein viel natürlicheres Empfinden im Herzen eines Menschen als ihr Gegenteil.“

Dieses Zitat stammt von einem dieser Menschen, die gezeigt haben, dass es sich durchaus lohnt für diese Welt zu kämpfen. Nelson Mandela.

Wenn man seine Geschichte kennt, die von Ungerechtigkeit und Hass gezeichnet ist, könnte man sich eigentlich denken: Wie kann jemand der soviel durchmachen musste, noch so positiv gestimmt sein? Wie kann er den Glauben an die Menschheit nicht ganz verlieren?

Vielleicht, weil es immer noch irgendwo einen Funken Hoffnung gibt, ein kleines Licht, eine warme Quelle, ein liebendes Herz, ein herzliches Lächeln oder eine ausgestreckte Hand.

Wenn mich das Reisen eines lehrte, dann dass die Welt in ihren Grundzügen schön ist. Dass die Menschen, egal auf welchem Kontinent, einfach glücklich sein wollen. Dass eine liebende Familie, ein warmes Essen, Musik und Tanz und kleinste Alltäglichkeiten das Leben bestimmen, es aus- und lebenswert machen. Dass dir Fremde die Hand ausstrecken, sie dir mit Stolz ihre Welt zeigen wollen, sie dir ihr Herz öffnen, dir ein Lächeln mit auf den Weg geben, dich willkommen heißen! Die Menschen lachen und weinen, gründen Familien, gehen tanzen, sitzen in Straßencafés oder Restaurants und reden über Gott und die Welt. Sie trinken gern Wein oder Whiskey, essen zum Frühstück Nudelsuppe oder Schinken und Speck. Der Prozentsatz derer die es abgrundtief böse mit der Welt meinen ist gar nicht so groß. Wir anderen sind viel zu viele!

Doch schon als Kinder lernen wir, es gibt immer irgendwo eine böse Hexe, eine schreckliche Stiefmutter oder einen gemeinen Wolf. Vielleicht ist es ganz gut, dass wir das so früh lernen, dann trifft uns die Realität nicht ganz so hart. Hexe, Stiefmutter und böser Wolf werden immer eine Rolle in unseren Leben spielen. Egal ob aus Neid, aus Machtgefühlen, aus Gier oder ganz einfach aus Dummheit. Aber einen Held, den gibt es immer irgendwo. Und wenn wir ihn nirgends finden können, dann müssen wir eben selbst der Held sein. Wir müssen offen sein und tolerant, respektvoll und auch mal selbst anderen die Hand reichen. Das Reisen lehrte mich diese Dinge zu beherrschen. Das Leben aber lehrte mir noch mehr: Kein Hass dieser Welt kann Liebe und wahre Verbundenheit, das Gefühl von Zusammengehörigkeit und Freundschaft zerstören!

Und vor allem: Hass lässt sich nicht mit Hass bekämpfen. Trotz allem Übel in der Welt, sollten wir weiter unsere Herzen öffnen, denn dann öffnen sich auch andere Herzen für uns und wir erleben die Welt wie sie sein sollte: Einzigartig und Lebenswert!

 

Zum Schluss noch eines meiner liebsten Filmzitate. Weil es bei mir damals mitten ins Herz traf, mir half und soviel Wahrheit in ihm steckt:

Sam: Ich weiß. Es ist alles falsch. Eigentlich dürften wir gar nicht hier sein, an diesem Ort. Aber wir sind hier. Das ist wie in den großen Geschichten, Herr Frodo, in denen, die wirklich wichtig waren. Voller Dunkelheit und Gefahren waren sie. Und manchmal wollte man das Ende gar nicht wissen, denn wie könnte so eine Geschichte gut ausgehen? Wie könnte die Welt wieder so wie vorher werden, wenn soviel Schlimmes passiert ist? Aber letzten Endes geht auch er vorrüber, dieser Schatten. Selbst die Dunkelheit muss weichen. Ein neuer Tag wird kommen und wenn die Sonne scheint, wird sie umso heller scheinen. Das waren die Geschichten, die einem im Gedächtnis bleiben, selbst, wenn man noch zu klein war, um sie zu verstehen. Aber ich glaube, Herr Frodo, ich versteh‘ jetzt. Ich weiß jetzt: Die Leute in diesen Geschichten hatten stets die Gelegenheit umzukehren, nur taten sie’s nicht. Sie gingen weiter, weil sie an irgendetwas geglaubt haben!

Frodo:Woran sollen wir schon glauben, Sam?

Sam:Es gibt etwas Gutes in dieser Welt, Herr Frodo, und dafür lohnt es sich zu kämpfen.

Aus der Herr der Ringe.