Wir nehmen uns dann mal was uns gehört…
15 Jahre ist es her und es wirkt bis heute in mir nach. Ich fahre mit einer Schulfreundin in der S-Bahn nach Hause. Es war ein Donnerstag. Neben uns unterhalten sich zwei Erwachsene und stöhnen über ihre Jobs. Sie jammern und meckern. Und dann sagen sie: Gott sei Dank ist morgen endlich Freitag und dann Wochenende.
Kurze Zeit später steigen sie aus und ich sage zu meiner Freundin: Oh man. Hoffentlich geht uns das nie so. Das ist ja ätzend. Immer nur auf den Freitag freuen. Woche für Woche, Monat für Monat, Jahr für Jahr. Das ist doch nicht normal. Oder etwa doch?
15 Jahre später erwische ich mich des Öfteren wie ich am Donnerstag den Kollegen euphorisch mitteile: Morgen ist schon Freitag! Und am Freitag selbst schreibe ich dann meiner Freundin über Whatsapp: Jipppiiehhh. Endlich Freitag! (Falls sie mir nicht schon zuvor gekommen ist.)
Aber so ist das nun mal. Und dafür muss der Job noch nicht einmal ein Kotzbrocken sein. Das Wochenende, die Freizeit und ganz besonders der Urlaub sind (für uns) eben immer die Gewinner.
Und deswegen musste ein Plan her. Erst träumten wir ihn ganz zaghaft und heimlich. Dann wurden die Farben kräftiger und die Töne lauter. Und nun in diesem tristen, grauen Winter schmissen wir uns selbst jede Menge Konfetti ins Leben.
Kleiner Rückblick:
Mittwoch, 7. Dezember 2016
Während meine Kollegen und ich uns über die gestrige, urgemütliche Weihnachtsfeier unterhalten, schickt mir Andi eine E-Mail. Relativ einsilbig, aber dafür mit einem Dateianhang, der es in sich hat. Andis Chefin hat vor ein paar Minuten seinen Antrag auf Freistellung unterschrieben.
Ich drehe im Büro 2 hüpfende Kreise und überlege mir, wen ich jetzt abknutschen könnte. Es ist niemand passendes dabei. Ich rufe Andi an und verkünde, ihn zu Hause abzuknufflen. Er ist einverstanden.
Dieses Gefühl, die Daten unserer Auszeit schwarz auf weiß zu sehen ist unbeschreiblich. Ich schwebe durch den Tag. Jetzt müssen wir nur noch warten bis der Antrag von der Personalabteilung durchgenickt wird.
Freitag, 9. Dezember 2016
Wir gehen mit Freunden auf den Weihnachtsmarkt. Bei mir stellt sich ein „Erstmal ist alles das letzte Mal – Gefühl“ ein. Und so gönne ich mir ohne Reue auch gleich 2 Stangen dieser leckeren, mit belgischer Schokolade überzogenen Früchte. Und n Rentiergulasch mit Preiselbeeren. Und ne heiße Schokolade mit Amaretto, viel Sahne und Mini-Schaumkuss. Und n Stück von Andis Flammkuchen-ähnlichen-Brotteils auch noch. Ja, (vorerst) letzte Male können wirklich schön sein!
Mittwoch, 21. Dezember 2016 – Vormittags
Heute habe ich Personalgespräch. Es wäre ein guter Anlass, die Bombe platzen zu lassen. Aber es ist noch nicht der richtige Zeitpunkt. Die meisten Kollegen sind schon im Urlaub und mein Chef wird es ab morgen auch sein.
Wir sprechen also über das Jahr. Über Verbesserungen für’s Nächste. Über all das was gut gelaufen ist und was nicht so. Das Gespräch verläuft super. Viel zu gut.
Zum ersten Mal hätte ich mir das anders gewünscht, dann würde es mir leichter fallen bald zu gehen.
Mittwoch, 21. Dezember 2016 – Abends
Weil mir das Gespräch nicht aus dem Kopf geht, muss ich irgendwas tun. Nicht das (gerade!) ich doch noch n Rückzieher mache.
Ich rufe also eine Flugsuchmaschine auf und gebe Berlin-Riga ein. Nur Hinflug. Zwei Personen. Ich buche.
Danach suche ich Riga-Tiflis. Ebenfalls nur Hinflug. Ich buche auch diesen Flug.
Na geht doch. Flüge sind fix. Jetzt haben wir uns selbst festgenagelt.
Paar Minuten nach der Buchung meint Andi zu mir: Meinst du das Abflugdatum war jetzt nicht doch etwas zu früh gewählt? Schaffen wir bis dahin echt alles?
Zum Glück haben wir den Tarif gewählt, den wir nicht kostenfrei stornieren können.
31. Dezember 2016 / 1. Januar 2017
Eigentlich halten wir beide nicht so viel von Silvester, aber als wir im Fernsehen die Live Übertragung des Feuerwerks aus Sydney sehen, strahlen bei uns beiden die Augen. Vielleicht sind wir ja genau in einem Jahr auch in Sydney und stoßen auf unser geilstes Leben an!
Und dann als wir den Countdown runtergezählt haben, wird uns bewusst: Scheiße. Das ist es jetzt wirklich. Das Jahr! Unser Jahr! Das Jahr an dem uns Montage nichts mehr ausmachen und wir einen Kalender aufschlagen müssen, um zu wissen das überhaupt Wochenende ist. Denn in diesem, in unserem Jahr, werden wir machen was wir wollen, wann wir wollen und wie wir es wollen! In diesem Jahr nehmen wir uns endlich was uns gehört: Unsere Freiheit!
Montag, 30. Januar 2017
Die Nachrichten verkünden, dass es auf dem deutschen Arbeitsmarkt so viele freie Stellen wie noch nie gibt. Ähm liebe Bundesstatistik warte mal kurz: Meine werfe ich auch noch mit in den Topf. Denn heute ist der Tag an dem ich kündigen werde.
In meinen Vorstellungen habe ich mich bereits ganz souverän und selbstbewusst beim Chef sitzen sehen. Ich brilliere mit hirnreichen Floskeln, vorab geübten Sätzen und ziehe das wie n Klacks durch.
In Wahrheit stammele ich irgendwas von großer Reise, Traum, Auszeit und Kündigung und hoffe das mein Chef das Wortpuzzle zusammen setzen kann.
Er kann. Nun ist also alles zu spät. Gesagt ist gesagt. Kündigung ohne Stornierungsfrist sozusagen. Wie unsere Flüge.
Ich bin erleichtert und glücklich. Gleichzeitig aber auch wehmütig und unglaublich emotional. Denn ich ziehe noch am selben Tag von Kollegen zu Kollegen, erzähle von unseren Plänen und treffe auf so viel Freude, gute Wünsche und liebe Worte, dass es mir tatsächlich die Sprache verschlägt. Ich bin unglaublich glücklich. Da ist es also. Das berühmte lachende und weinende Auge.
Dienstag, 31. Januar 2017
Heute ist der Tag nach der Kündigung. Heute wird meine Stelle intern ausgeschrieben. Es ist ein komisches Gefühl die E-Mail mit der Stellenbeschreibung zu lesen. Und dann dieser Satz: Frau Sendatzki will uns leider verlassen.
Ja. Noch ein paar Monate und ich werde die Firma verlassen. Mein altes Leben verlassen. Loslassen. Offen sein für alles das was kommt. Wir werden uns in das vielleicht größte Abenteuer unseres Lebens stürzen und das alles fühlt sich so unglaublich gut an.
Wir freuen uns über alle die uns auf diesen Weg begleiten. (Und liebe Kollegen und Freunde: Wir nehmen euch beim Wort! Ihr habt versprochen auf dem Blog dann auch mal zu kommentieren! Wir beobachten das. :-))
So. Und nun nochmal Konfetti für alle…denn es ist hochoffiziell:
Wir gehen am 1. Juni 2017 auf Weltreise!
Wir werden wunderschöne, spannende Länder bereisen, kurioses, gewöhnliches und außergewöhnliches erleben. Wir werden auf Nachtmärkten, in Zugabteilen, schnuckeligen Straßencafés und schmuddeligen Hostelküchen essen. Wir werden uns mit Händen und Füßen, Englisch, Russisch, Spanisch und Kauderwelsch durchschlagen. Wir werden handeln und betrogen werden. Wir werden barfuß über den Sand laufen, mit Kopftuch durch die Stadt streifen und dauerhaft aus dem Rucksack leben. Wir werden Berge besteigen, Wüsten durchqueren und Straßenbasars durchstöbern. Und vor allem: Wir werden frei sein! Das Glück darüber ist unendlich.
Liebe Welt, wir sind sowas von bereit und kommen dich bald besuchen!!
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