Weltreise Tagebuch: Ab in die Berge
Wir hätten jetzt auch so schön im Büro sitzen können….geht es mir durch den Kopf, als wir uns in der Mittagshitze den unverschämt steilen Berg hochschleppen. Es ist Tag 14 unserer Weltreise und anstatt es auch mal ruhig anzugehen, entscheiden wir uns dafür einen knapp 25 Kilometer langen „Spaziergang“ durch die Berge Svanetiens zu unternehmen. Über 1.000 Höhenmeter müssen wir dabei überwinden. Die Anstiege sind unverschämt. Und jedes Mal wenn wir den mutmaßlichen Gipfel eines Berges erreicht haben, wartet schon wieder ein neuer auf uns. Und wieder. Und wieder. Und wieder.
Irgendwann zwischendurch hatte uns das GPS Hoffnung gemacht. Ab hier nur noch 30 Minuten. Dann haben wir unser Ziel – die Koruldi Lakes – erreicht. Pustekuchen. Als das GPS diese Berechnung durchgeführt hat, befanden wir uns kurzzeitig auf einer relativ ebenen Strecke und hatten ein gutes Tempo drauf. Die steilen Höhenmeter die folgten, kosteten uns dann doch mehr Zeit und Kraft. Dann aber! Wir waren endlich oben. Wir haben am Tag 14 unserer Weltreise unseren ersten Berg bezwungen. Und was für einen. Die Aussichten auf 2.700 Meter waren unglaublich und im wahrsten Sinne des Wortes atemberaubend. Jedes Foto prädestiniert um später auf Leinwand zu landen. Glücksgefühl gleich Eintausend. Das bleibt auch so, als wir später am Abend im Restaurant sitzen, georgische Köstlichkeiten schnabulieren und dazu georgische Live Musik gespielt wird.
Gibt’s hier auch n Fahrplan?
Dabei war es gar nicht so einfach überhaupt erstmal in das Bergdorf Mestia zu gelangen. Während wir von Tiflis aus unser zweites Ziel in Georgien, den Ort Zugdidi, noch sehr gut mit dem Zug erreichen konnten, wurde es nun schon umständlicher. Umständlich zumindest für so Leute wie uns…die direkt aus dem Komfort der Großstadt kommen. Mit gut frequentierten Fahrplänen, tausenden Möglichkeiten um von A nach B zu gelangen und vor allem Reservierungen. Hier in Georgien läuft das aber so: Der Minibus – genannt Marshrutka – fährt dann los, wenn es dem Fahrer am besten passt. Und das ist natürlich dann, wenn das Ding voll ist. Ob das also um 7, um 8 oder erst um 9 ist, steht in den Sternen. Weil uns am Vortag (Tag 11) ein Marshrutka Fahrer rät, bereits um 7 vor Ort zu sein, machen wir das natürlich. An Tag 12 regnet es dann wie aus Eimern. Ich frage mich, ob an so einem bescheidenen Tag noch andere so blöd sind, in die Berge zu fahren. Als wir Punkt 7 beim Marshrutka Fahrer stehen, sieht es nicht danach aus. Wir warten 45 Minuten, sind immer noch nur zu Zweit und entschließen uns dann, wieder zurück zu fahren. Der Fahrer will uns anrufen, sobald 10 Personen zusammen sind. Als der Regen endlich etwas nachlässt kommt der erhoffte Anruf und wir können starten. Na fast zumindest. Denn bevor uns der Schwiegerpapa meiner georgischen Freundin – bei Ihrer Familie haben wir 2 Nächte verbracht und mindestens 50 Mal auf die Deutsch-Georgische Freundschaft angestoßen (Wein und Chacha – selbstgebrannter Schnaps -scheinen nie auszugehen…) – zum Bahnhof bringt, wird erstmal noch in aller Seelenruhe ein Glas Tee getrunken. Es ist genau diese Gelassenheit, die mir nach meinem Jahr in Irland wieder verloren gegangen ist und von der ich mir gern wieder etwas aneignen möchte.
Tag 15 unserer Weltreise verbringen wir noch immer in den Bergen. Wir wollen uns heute einen Gletscher ansehen. Die Wanderung von gestern steckt uns aber noch ziemlich in den Knochen und da trifft es sich gut, dass ein Baufahrzeug anhält und uns anbietet einzusteigen. Ich darf in die Fahrerkabine, Andi auf die Ladefläche. Nach knapp 6 Kilometer sind wir am Startpunkt der Gletscherwanderung, machen noch ein Erinnerungsfoto mit den Truckfahrern und sind wieder einmal beeindruckt von der unglaublich schönen Landschaft, die vor, neben und um uns liegt.
Schöne Bergdörfer – schwierige Straßen
Wir wollen mehr davon und fahren am nächsten Tag nach Ushguli. Es ist das höchste Bergdorf Europas. Der Weg dorthin ist beschwerlich. Es sind nur 45 Kilometer, aber eine asphaltierte Straße ist erst noch im Bau. Wir fahren durch Schlamm und Modder, über Äste und Steine, durch Wasserläufe und kleine Überflutungen. Ziemlich nahe am Abgrund. Dem Auto wird einiges abverlangt. Wenn hier jetzt die Erde wegrutscht…., denken Andi und ich unabhängig voneinander, als uns wenige Minuten später ein Auto aus der Gegenrichtung mitteilt, dass die Straße knapp 6 Kilometer vor Ushguli gesperrt ist. Blockiert von ein paar schweren Felsbrocken, die von der Felswand gerutscht sind. Erdrutsche (Felsrutsche) scheinen also gar nicht so unüblich zu sein und so wundert es auch nicht, dass unser Fahrer tiefenentspannt bleibt.
Als wir die Stelle erreichen stauen sich die Autos bereits aus beiden Richtungen. Die Straße ist zu diesem Zeitpunkt wohl schon um die 3 Stunden gesperrt. Mindestens 15 Männer und Frauen versuchen, die Felsbrocken von der Straße zu räumen. Hinter uns trudelt die Polizei ein. Aber einen Bagger haben sie nicht mitgebracht. Stattdessen verbieten sie nun allen (vor allem uns Touristen), die Straße zu betreten. Davon lässt sich das erste Auto in Gegenrichtung nicht stören und wagt den Versuch über die Steine zu fahren. Er schafft es und erntet von uns allen großen Applaus. Ich staune nicht schlecht als ich später sehe, dass Fahrer und Beifahrer schon mindestens 70 Jahre alt sein müssen. Die haben sicherlich schon ganz Anderes erlebt.
Die Polizei gibt die Straße trotzdem noch nicht frei und da sie ja keinen Bagger mitgebracht haben, heißt es nun, es könnte noch weitere 3 oder 4 Stunden dauern, bis die Straße frei ist.
Also beschließen Andi und ich die letzten 6 Kilometer zu laufen. Weit kommen wir nicht, denn nur ein paar Hundert Meter entfernt treffen wir auf den Mann der Stunde. Ein älterer Herr der einen Bagger samt Fahrer organisiert hat. Wir trappeln also wieder zurück und lassen den Bagger seine Arbeit verrichten. Die Menge ist absolut euphorisiert als die Steine endlich aus dem Weg geräumt und es weitergehen konnte. Als wir wieder ins Auto steigen, frage ich mich noch kurz, ob wir wohl jemals wieder aus Ushguli zurückkehren, genieße dann aber den fantastischen Ausblick der vor uns liegt.
Abgeschieden und mystisch – Ushguli
Und so verbringen wir 3 Nächte in 2.000 Meter Höhe in einem Dorf in dem es scheint, die Zeit wäre stehen geblieben. Urig, rustikal, zerfallen und irgendwie mystisch. Wir essen im ältesten Café des Ortes und bekommen als „Stammgäste“ (die meisten Gäste verbringen in Ushguli nur eine Nacht) am 3. Tag sogar schon einen kleinen Rabatt.
Nur mit unserer Unterkunft läuft es nicht so gut. Wir hatten vorgebucht. Die Bewertungen hörten sich toll an. Auf die 2-3 Negativ-Bewertungen haben wir nicht unbedingt Acht gegeben. Aber genau diese hatten sich bewahrheitet. Zum Beispiel, dass die Familie, die das Gästehaus betreibt, keine Rücksicht nimmt und noch bis spät in den Morgen hinein laute Zusammenkünfte hält. Und so schlafen wir um 2 Uhr morgens immer noch nicht. 10 oder 12 stämmige Männer sitzen im Gemeinschaftsraum, trinken Chacha und haben gut lachen. Als es irgendwann auch noch an unserer Tür rüttelt, beschließen wir uns am nächsten Tag eine neue Bleibe zu suchen. Beste Entscheidung. Wir quartieren uns in ein kleines Familienhotel ein, das wohl einem der Söhne von Claus Hipp (der mit dem Baby Brei) gehören soll und fühlen uns hier richtig wohl. Zwar pfeift der Wind am zweiten Tag (Tag 16 unserer Weltreise) durch alle Ecken und Enden, aber ich habe ja als Luxusartikel meine Wärmflasche dabei und so schlafen wir gemütlich und zufrieden ein.
Tag 17 beginnen wir mit einem rustikalen Frühstück und machen uns dann auf zu einer Gletscherwanderung. Wir bleiben nicht lange alleine und werden den ganzen Tag über von einer Fellnase begleitet. Wie herrlich. Endlich haben wir einen Hund. Er führt uns zum Gletscher und begleitet uns später wieder zurück ins Dorf. Die Leckerchen auf die er (wahrscheinlich) aus war, haben wir ihm natürlich gerne gegeben. 🙂
Nun lassen wir Tag 18 ausklingen. Wir sind zurück in Mestia, freuen uns über unser privates Badezimmer (nach mehr als 1 Woche Gemeinschaftsbad ist das Glücksgefühl darüber unendlich..), die zwei einzelnen Bettdecken und auf all das was noch kommen mag.