Vom Ankommen, Heimkommen und der Sehnsucht
Reisen ist etwas wunderbares. Für mich mein liebstes Hobby. Eines was mich erfüllt und immer wieder glücklich macht. Eines aus dem ich nie so zurückkomme, wie ich gegangen bin und welches mir für immer die schönsten Erinnerungen schenkt.
Und doch komme ich auch (meist) gern wieder zurück von einer Reise. Manchmal freue ich mich sogar schon auf einer Reise darauf wieder daheim zu sein. Sei es, weil ich jemanden oder etwas vermisse, sei es, weil ich einfach mal wieder Lust habe auf der Couch zu liegen und nichts zu tun. Oder weil ich Lust habe auf meiner Couch zu sitzen und ganz viel zu tun: Blog schreiben, Fotobücher basteln, lesen, die Lieblingsserie anschauen…etc. etc.
Ja so traurig ein Urlaubsende auch meistens ist, so schön kann es auch sein nach Hause zu kommen. Ariane von Heldenwetter rief auf zur Blogparade „Vom Heimkommen“. In ihrem Artikel dazu, erzählt sie selbst über das Loch in das sie gefallen ist, nachdem sie von einem längeren Auslandsaufenthalt zurück gekehrt ist. Als ich das las, musste ich in Gedanken oft nicken und ihr zustimmen. Und weil da alte Gefühle wieder hochkamen und ich auch in diesem Urlaub Sehnsucht nach den Lieben und Freunden zuhause verspürt habe, sitze ich nun hier und schreibe über das Heimkommen.
Über das Heimkommen von einer kurzen Europareise, dem Heimkommen aus Übersee und dem Heimkommen nach 1 Jahr Auslandsaufenthalt.
Keine dieser Arten von Heimkommen gleicht der anderen. Wahrscheinlich, weil sich auch alle Reisen so unterscheiden.
Letztes Jahr, ich fühle es noch so als wäre es gestern gewesen, da fiel mir das Heimkommen ganz schön schwer. Wir hatten 4 wunderbare Wochen in Vietnam und Kambodscha verbracht und so viele Eindrücke mitgenommen. Es gab einen Moment im Hotelzimmer, da kamen mir die Tränen, als ich an den Rückflug dachte. Nachdem ich so viel Armut und trotzdem eine unglaublich freundliche Kultur in Asien kennengelernt hatte, stellten sich mir bei dem Gedanken an Deutschland die Nackenhaare auf. Sollte ich wirklich in dieses Land zurückkehren, in dem es uns eigentlich so gut geht und doch so viel Übellaunigkeit herrscht? Zurück in das Land in dem alles so selbstverständlich ist und sich doch alle Grau ärgern. Vietnam und Kambodscha hatten mich mit ihrer Freundlichkeit, Herzlichkeit und Einfachheit gefangen genommen. Das alles wünschte ich mir auch von Deutschland. Ein besseres und herzlicheres Miteinander.
Und wie das dann so ist, man fliegt ja doch zurück. Und dann steht man plötzlich in seiner Wohnung und hat so viel Besitz. Man kann kochen, heizen, Fernseh schauen, duschen (..). Nur 48 Stunden vorher waren wir zu Besuch in einer kambodschanischen Wellblechhüte, in der es nichts gab außer Europaletten (als Tisch und Sitzgelegenheit), ein paar T-Shirts, einer Matratze auf nem Betonklotz und ein paar Hühner. Eine Hütte, die zu einem Mann gehört, der nicht weit im Voraus planen kann. Der gern eine Ausbildung zum Touristenguide machen würde, damit er mehr verdienen kann. Doch die Ausbildung kostet. Und wenn er in der Ausbildung ist, dann fährt er kein Tuktuk. Und wenn er kein Tuktuk fährt, dann verdient er nichts. Und so dreht er sich im Kreis und lebt von einen Tag in den Nächsten. Sowas zu sehen das verändert. Mich zumindestens. Und dann kommt man anders heim als man gegangen ist.
Wenn das schon bei 4 Wochen so ist, wie fühlt sich das eigentlich nach 1 Jahr an?
Ich kann mich noch genau an den Tag erinnern an dem ich aus Irland zurückgekehrt bin. Damals hatte ich mich unglaublich darauf gefreut. Ich zählte die Tage bis zur Heimkehr, denn ich vermisste vieles in Deutschland und hatte vom Leben als Au pair erstmal genug. Und dann brachte mich mein Gastvater zum Flughafen und plötzlich wurde mir das Herz schwer. Ich realisierte auf einmal, dass diese Zeit, die ich in Irland verbracht habe, einzigartig in meinem Leben sein würde. Egal wie oft ich zurückkehren würde, es wäre nie wieder das gleiche. Und so heulte ich glaub ich den ganzen Flug durch. Plötzlich vermisste ich einfach alles an Irland. Sogar das komische Brot. Vor allem aber die Menschen, die ich dort kennen- und lieben gelernt habe. Mit denen ich soviele Abenteuer erlebt und das Land entdeckt habe. Die damit das Land auch charakterisieren.
Als mich meine Freunde vom Flughafen abholten war ich trotzdem überglücklich. Wir fuhren an die Ostsee und dort gab es eine Überraschungs-Willkommensparty für mich. Alle Menschen die ich liebte waren da. Aber war ich es eigentlich auch? Ich fühlte mich ehrlich gesagt wie in einer Art Blase, in einem Schwebezustand, in einer eigenen Welt. Und diese Blase wurde von Tag zu Tag größer.
Bevor ich nach Irland gefahren bin, las ich mal etwas von einem Kulturschock im eigenen Land. Genau dieser hatte mich (rückblickend) ereilt. Während ich in Irland zu Anfang noch vieles mit Deutschland verglichen habe, war es nun andersrum. Oft fehlten mir sogar die Wörter. Viel besser hätte ich mich in Englisch ausdrücken können. Das schlimmste aber war eine gewisse Grundtraurigkeit und Leere die mich ausfüllte. Ich wollte so gerne wieder ankommen, aber ich konnte es eine ganze Zeit lang nicht. Was nicht heißt das ich unglücklich war. Im Gegenteil. Ich freute mich auf all das was kommen sollte: Ein Sommerurlaub in Spanien mit den besten Freundinnen (mit denen es sich immer noch so anfühlte, als wäre man nie weg gewesen), der Beginn eines Studiums und der Umzug nach Berlin.
Ich hing dem Leben in Irland dennoch ganz schön nach und hätte am liebsten über nichts anderes geredet. Ich fühlte mich auf der einen Seite wie stehen geblieben, immerhin waren alle meine Freunde schon im Studium oder in der Ausbildung und somit „einen Schritt weiter“ als ich. Sie waren umgezogen, ausgezogen, sie hatten neue Freunde, „neue Leben“. Und ich kam wieder und für mich hatte sich sogesehen überhaupt nichts verändert. Ich musste nun damit anfangen was ich im letzten Jahr „verpasst“ hatte und irgendwie meinen Platz wieder finden.
Auf der anderen Seite fühlte ich mich jedoch großartig, denn natürlich bin ich nicht stehen geblieben. Im Gegenteil. Ich hatte mich verändert. Ich habe so viel in Irland über mich selbst und andere gelernt. Ich habe mich selbst gefunden – und eine zweite Heimat. Denn das ist Irland für mich geworden. Heimat. Ein Land, dass mir vieles beigebracht hat. Das mein Herz geöffnet hat. Das meine Abenteuerlust geweckt hat. Ein Land, das mich für immer geprägt hat.
Und so war es damals nicht einfach, das Heim- bzw. Ankommen.
Heute jedoch, so habe ich es ja oben schon beschrieben, freue ich mich manchmal auf das Heimkommen. Nicht immer. Je kürzer die Reise, desto weniger freue ich mich. Da man irgendwie gerade erst in dieser „neuen Welt“ angekommen ist und nun schon wieder zurück in den Alltag kehrt. Aber da ich auch zu Hause echt glücklich bin, eine tolle Familie gefunden habe, die besten Freunde an meiner Seite stehen, die ich mir vorstellen kann und wir so viele schöne Dinge im Alltag unternehmen, komme ich auch gern zurück. Denn auch das hat Irland mir beigebracht: Meine eigene Kultur zu lieben. Sei es das leckere Mischbrot, die Musik von Poisel, Naidoo, Bendzko (….), den Humor von Loriot, Nuhr, König (…), den frischen Fisch an der Ostsee, die Freiheit(en), die wir hier haben.
Letztlich werde ich immer fremd dort sein, wo es mich hinverschlägt. Nicht in meinem Herzen, nein. Aber all die Sozialisation, Erziehung und Prägung durch die Gesellschaft haben mich nun mal zu der gemacht, die ich bin. Und wo, wenn nicht hier versteht man mich, wenn ich sage: „Mein Name ist Lohse, ich kaufe hier ein.“ und immer wieder aufs neue darüber lachen kann.
Ich erinnere mich noch gut an die Zeit der Fußball WM 2006. Während in Deutschland die große Party lief, saß ich in Irland und hütete Kinder. Als ich mit Freunden abends im Pub die Spiele schaute, sehnte ich mich danach, jetzt genau dort zu sein, wo ich (zumindestens in dem Moment) eigentlich hingehörte: nach Deutschland. Denn kein Ire konnte wirklich das fühlen, was meine Mitmenschen in der Heimat fühlten. Stattdessen suchten wir sogar einmal verzweifelt nach einem Pub der das Spiel Deutschland-Schweden überträgt. Gälisch Football war an diesem Abend einfach wichtiger. Klar. Es ist ihre Kultur. Und wir haben unsere. Und die ist eben fest verankert.
Und so freue ich mich auch weiterhin auf das Reisen und das Heimkommen. Denn wer reist, kommt immer irgendwo an. Und bringt immer irgendwas mit. Kann immer wieder aufbrechen. Kann sich in der Vorfreude verlieren. Kann vergleichen und lernen. Kann das besser schätzen, was vorher als selbstverständlich galt. Kann sich neu finden und erfinden. All das ist das schöne am Reisen. Und auch am Heimkommen. Irgendwie zumindestens. 🙂
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